Im Schatten des Hollywood Boulevard

Im Schatten des Hollywood Boulevard
Die Steve-Wohlberg-Story

"Hier, ich schenk dir was! Probier mal! Ist wirklich super!“ Das Mädchen im Schulbus stupste Steve an. In der Hand hielt sie einen glimmenden Stängel. Steve, Jahrgang 1959, war mit seinen 14 Jahren zu jung, um zu rauchen. Aber dieses selbstgedrehte Etwas vor seiner Nase war keine gewöhnliche Zigarette – es war ein Joint. Der Busfahrer war weit vorn und beschäftigt. Steve warf einen Blick auf die anderen im Bus. Sie alle rauchten das Zeug. „Warum nicht?“, sagte er sich. „Ich kann’s ja mal probieren!“

Diese erste Marihuana-Zigarette war der Anfang einer sechs Jahre dauernden Drogenkarriere. Sie führte Steve immer tiefer in den Schlamassel, hin zu stärkeren Drogen und den Folgen. Schließlich wurde er sogar ein Dealer. Steves Eltern hatten ihn nie wirklich vor Drogen gewarnt. Das hieß nicht, dass sie sich nicht liebevoll um ihn und seine zwei Geschwister kümmerten. Vielleicht hatten sie das Thema damals für verfrüht gehalten.

Steves Elternhaus – sein Vater war damals Mitinhaber eines gut gehenden Teppichgeschäfts – befand sich an einem besonderen Ort. Er lebte dort, wo die Sehnsüchte und Träume von Millionen Menschen hin wandern – direkt um die Ecke von Hollywood: gleich auf der anderen Seite des Hügels mit dem riesigen Hollywood-Schriftzug. Der berühmte Hollywood Boulevard war nur einen Katzensprung entfernt. Dort auf dem „Walk of Fame“ hatten sich die „Stars“ auf dem Asphalt verewigt – inzwischen fast 2.500 von ihnen aus Film, Theater und Musik. Ihre Kinder waren seine Schulkameraden. Er ging in so mancher Prachtvilla ein und aus, schwamm im Pool, hob Gewichte im privaten Fitness-Center, spielte Tennis und Billard und genoss Kostproben des Lebens der Reichen, Schönen und Berühmten.

Steve wuchs in einem jüdischen Elternhaus auf. Mit Begeisterung feierten sie Feste wie das Passah. Man folgte den traditionellen jüdischen Vorschriften und aß Speisen wie Matze – ungesäuertes Brot. Zum Passah blieb immer ein Stuhl am Tisch frei. Er war für den erwarteten Messias oder die Rückkehr des Propheten Elia vorgesehen. Vor diesen leeren Platz wurde ein Kelch mit Traubensaft gestellt, den niemand als nur der Erwartete anrühren durfte.

Wie viele andere Juden auch feierte Steves Familie dieses Fest nur aus Tradition. Sie verbanden damit keine bewusste religiöse Bedeutung. Sie waren säkulare Juden. Religion existierte in Steves Erziehung nicht. Man sprach nicht darüber, man betete nicht, man las nicht in der Thora, man ging nicht in die Synagoge. Wenn ihn jemand gefragt hätte, wer die Arche gebaut hat, dann hätte er geantwortet: „Arche, was für eine Arche?“ Mose, Noah, Jakob: Alle diese Namen hatten keine Bedeutung für ihn. Das galt natürlich umso mehr für Begriffe aus dem Neuen Testament wie Jesus und andere christliche Inhalte. Was Religion betraf, gab es in seinem Gehirn nur eine riesige weiße Fläche.

Die Glitzerwelt übte auf Steve eine umso stärkere Anziehungskraft aus, denn sein ganz normales Alltagsleben hatte Berührung mit der Show-Branche. Er besuchte die „North Hollywood High School“. Berühmtheiten aus bekannten Filmen waren die Nachbarn und Freunde seiner Eltern. Mit 14 begann er, den Sog dieser faszinierenden Welt mit ihrer Jagd nach den scheinbar befriedigenden Dingen des Lebens intensiv zu spüren. Schule war eine unangenehme Pflicht, durch die man sich irgendwie durchmogelte. Das eigentliche Leben konzentrierte sich auf Dinge, die ihm einen „Kick“ gaben.

Rockmusik und Rockkonzerte wurden zum alles bestimmenden Element seines Lebens. Es war nicht zu überhören, wenn Steve zuhause war. Dann drehte er die Stereo-Anlage bis zum Anschlag auf und ließ sich von seinen Lieblingsgruppen volldröhnen. Die typischen Bands der 1970er Jahre wie die Bee Gees und Black Sabbath, aber vor allen Dingen die Rolling Stones. Mick Jagger hatte es ihm angetan. Trotz eines Lebens voller Drogen schien er fit zu sein und gröhlte sein I can’t get no satisfaction! hinaus. Steve war ständig in Diskotheken unterwegs – mit langen Haaren und voller Lebenshunger. Das „Saturday Night Fever“ seines Idols John Travolta hatte ihn gepackt. Immer später wurden die Nächte. Oft kam er erst morgens um drei oder vier Uhr nach Hause. Alkohol und Drogen bestimmten sein junges Leben. Fast täglich rauchte er Marihuana, auch in der Schule. Und seine Ernährung bestand aus Junkfood. Der Raubbau an seinem Körper war schlimm.

Damit war er nicht allein. Einige seiner Freunde bezahlten ihren Lebensstil mit dem Leben. Seine 16-jährige Freundin Lisa starb an einer Überdosis, sein Freund Michael an Leberzirrhose. Doch wie durch ein Wunder überlebte Steve seinen selbstmörderischen Kurs. Vielleicht weil er mit Basketball, Baseball und anderen Sportarten einen gewissen Ausgleich hatte.

Mit 16 durchlebte er die Scheidung seiner Eltern. Welch ein Drama! Er zog mit seinem Vater zusammen, seine Geschwister mit der Mutter. Dies war die Zeit, als er auf härtere Drogen umstieg, bis hin zu Kokain und LSD. Ganz selten blitzte so etwas wie die Frage nach dem Sinn des Lebens durch seine Gedanken. Gab es da draußen irgendetwas Anderes – etwas Besseres?...

Cookies helfen uns bei der Bereitstellung unserer Inhalte und Dienste. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu.
Unsere Datenschutzerklärung