Wie kamen die Wale in die Wüste?

Wie kamen die Wale in die Wüste?
Das Rätsel der fossilen Wale in Peru und die Umstände ihres Todes

Es geschieht nicht alle Tage, dass man einen fossilen Wal findet – mehrere an derselben Stelle natürlich noch seltener. Doch Hunderte an ein und demselben Ort zu finden, ist eine absolute Ausnahme und total verblüffend. Wer noch Erstaunlicheres sehen will, sollte einmal die Wüste nahe der Stadt Ica im Süden Perus besuchen. Sie liegt nicht weit von der Küste entfernt. Seit 15 Jahren erforscht dort ein Team von Paläontologen aus Spanien, Peru, USA und anderen Ländern diese Walfossilien.

Die fossilen Wale liegen in einer Schicht aus Sand- und Tongestein. Diese hat sich vor langer Zeit gebildet. Einst war sie Teil des Meeresbodens unter dem Pazifischen Ozean. Jetzt ist die Region jedoch eines der trockensten Gebiete der Erde. Tektonische Kräfte, die mit der Anhebung des Gebirgszugs der Anden zusammenhängen, haben den Meeresboden nach oben geschoben.

Die Erosion hat dazu geführt, dass sich in diesem Gebiet inzwischen Täler und langgezogene Hügel gebildet haben. Diese bergen wahre Schätze von fossilierten Lebewesen aus der Vergangenheit.

Als Paläontologe am Geoscience Research Institute im kalifornischen Loma Linda hatte ich das Vorrecht, ein wissenschaftliches Team zu leiten, das etliche Dutzend Exemplare dieser Walskelette ausgrub. Insgesamt haben wir mehr als 500 Skelette im Detail untersucht. Unsere Arbeit wurde bereits bei zahlreichen wissenschaftlichen Veranstaltungen in Peru, Deutschland, USA, Spanien und Australien vorgestellt. Außerdem haben wir eine Reihe von Aufsätzen in wissenschaftlichen Fachjournalen veröffentlicht.

Was uns als Forscher so beeindruckt, ist nicht nur die überwältigende Anzahl der Fossilwale, sondern es sind drei Merkmale, die diese Funde so außergewöhnlich machen: 1. Viele der gefundenen Skelette sind vollständig erhalten, d. h., es fehlt, wenn überhaupt, nur eine ganz geringe Zahl von Knochen. 2. Viele der Skelettknochen weisen noch die ursprünglichen Gelenkverbindungen auf, d. h., die Knochen sind nicht vereinzelt, sondern miteinander gelenkig verbunden. 3. Der Erhaltungsgrad der Knochen ist so exzellent, dass man keinen Unterschied zwischen diesen toten, versteinerten Knochen und den Knochen eines lebenden Wals feststellen kann. Aber warum spielen alle diese Besonderheiten eine Rolle?

Geschwindigkeit der Sedimentanhäufung

Das Besondere an diesen Fossilien besteht darin, dass man in der Geologie im Allgemeinen davon ausgeht, dass die Ablagerung der Sedimente in der Vergangenheit in einem sehr langsamen Prozess stattfand (Sedimente sind kleinste angeschwemmte oder anderweitig antransportierte Materialteilchen wie Sand, die später in eine Gesteinsschicht umgeformt werden können). Aufgrund dessen müsste das Begraben der Skelette normalerweise sehr lange Zeit in Anspruch genommen haben. Paläontologen gehen davon aus, dass in der Geologie die Vergangenheit grundsätzlich durch die Vorgänge der Gegenwart erklärt werden kann. Das heißt: Die Vorgänge, die wir heute beobachten können, sind auch in der Vergangenheit so abgelaufen. Dieses Konzept wird Uniformitätsprinzip oder Aktualismus genannt. Auf dieser Grundlage gehen Paläontologen davon aus, dass in der Vergangenheit stattgefundene Abläufe und Entstehungsraten bestimmter Gegebenheiten vergleichbar sind mit denen der Gegenwart. Das betrifft beispielsweise die Formation von Bergen, Seen und Flüssen, die Erosion der Landflächen, aber auch den Entstehungsprozess und die Geschwindigkeiten bei der Bildung von Felsen und Fossilien durch die Anhäufung von Sedimenten und Organismen auf dem Meeresboden.

Paläontologen haben geschätzt, dass die Rate, mit der die Sedimente in den heute existierenden Ozeanen angesammelt werden, in den meisten Fällen zwischen 5 und 150 cm pro 1000 Jahren liegt. Außergewöhnliche Ereignisse wie Stürme oder Tsunamis können Ursache von Variationen sein. In einigen Gebieten wie im Mündungsgebiet von großen Flüssen (Amazonas, Jangtse, Mississippi, etc.) geht die Ablagerung mit hoher Geschwindigkeit vonstatten. Dabei werden mehrere Lagen von Schlamm und Sand auf dem Meeresboden aufgeschichtet. An anderen Orten geschieht die Deponierung von Sedimenten jedoch mit einer viel geringeren Ablagerungsrate. Bei solch langsamen Ablagerungsgeschwindigkeiten in einem heutigen Umfeld dauert die Bildung einer Schicht, die einige -zig Zentimeter oder einige Meter dick ist, demnach viele hunderte und tausende von Jahren. Dadurch ist es höchst unwahrscheinlich oder praktisch unmöglich, dass Skelette konserviert werden. Warum? Weil Aasfresser die toten Organismen, die auf dem Meeresgrund liegen, in kurzer Zeit beseitigen. Dadurch bleibt kaum eine Chance, dass das tote Tier durch Sedimente zugedeckt und zu einem Fossil wird. Das ist selbst in einem Umfeld unwahrscheinlich, in dem die Sedimentierung (Ablagerung von Sediment) rascher vor sich geht...

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