Im tödlichen Schneesturm
Kann Beten wirklich helfen?
Ist Beten nur eine psychologische Masche, mit der der Mensch sich selbst austricksen und beruhigen kann? Eine Art Selbsthypnose? Oder gibt es dort oben einen Gott, der ein Interesse am Menschen hat und Gebete wirklich hören kann? Und nicht nur hören, sondern auch beantworten? Schon viele Menschen haben diese Frage gestellt und eine Antwort erhalten.
Von den vielen persönlichen Erlebnissen, die Menschen berichten, haben wir hier eine Geschichte herausgegriffen – eine wahre Begebenheit, die schon so manchen Zweifler zum Nachdenken brachte und das Leben des Autors veränderte.
Die Geschichte spielt lange vor der Zeit von Handys, Navigationsgeräten und Schneemobilen. Ich war ein kräftiger junger Mann, gerade einmal 19 Jahre alt. Mein Nachbar hatte einen Umzug zu bewältigen und ich war bereit, ihm dabei zur Hand zu gehen. Es mussten nicht nur Möbel und sein gesamter Haushalt gepackt und transportiert werden, sondern auch seine Maschinen und sein umfangreicher Lagerbestand. Ich begleitete ihn in seine neue Heimat nach Kanada im Süden der Provinz Alberta und blieb einige Wochen bei ihm, um ihm zu helfen, bis er sich wieder einigermaßen eingerichtet hatte.
Danach entschloss ich mich, allein weiter nach Norden zu ziehen und mich bis nach Alaska durchzuschlagen – und das im Winter! Bis zum 1. Februar hatte ich allerdings bereits knapp 1.600 Kilometer geschafft. Jetzt war ich in British Columbia unterwegs in Richtung des Liard River, einem Fluss, dessen Bezeichnung sich von dem französischen Wort für Pappeln ableitet, die dort in großen Mengen entlang des Flusses wachsen. Ich versuchte, einen Handelsposten zu erreichen, der in einiger Entfernung am Ufer des Flusses lag. Im Moment hatte ich ziemlich zu kämpfen. Ich befand mich mitten in einem heftigen Schneesturm, der Wind heulte mir um die Ohren, aber ich stemmte mich dagegen und stolperte durch den tiefen Schnee vorwärts. Ich hatte nichts anderes als meine Schneeschuhe und versuchte verzweifelt, mir einen Weg zu bahnen. Dabei orientierte ich mich an dem Verlauf eines kleinen Baches, den ich unter der Schneedecke nur andeutungsweise wahrnehmen konnte, aber von dem ich überzeugt war, dass er in den Liard River mündete und mich so zu meinem Ziel führen würde.
Bei meinem Aufbruch von der Siedlung am Peace River hatte ich mich reichlich mit Proviant eingedeckt, aber durch den Schneesturm war mein Zeitplan völlig über den Haufen geworfen worden. Die Heftigkeit des Sturms hatte mich so stark aufgehalten, dass ich viele Tage verloren hatte und nicht wirklich vorankam. Inzwischen waren meine Nahrungsmittel aufgebraucht, aber ich hatte keine Wahl – ich konnte nicht lange darüber nachdenken, woher ich etwas zu Essen bekam, ich war gezwungen, weiter voranzustapfen, weil ich in der grausamen Kälte sonst erfroren wäre. Ich musste mich bewegen, bewegen, bewegen. Ich war an einem Punkt, wo ich wirklich glaubte, dass ich es nicht mehr schaffen würde. Meine Abenteuerlust war einem Kampf auf Leben und Tod gewichen. Es sah alles danach aus, dass ich aus dieser Wildnis nicht mehr lebend herauskommen würde. Nichts zu essen, der wütende Schneesturm um mich herum, und das alles weitab von jeder Zivilisation. Meine Gedanken kreisten um die Frage, ob es überhaupt jemanden gab, der mich vermissen würde, wenn ich nie wieder auftauchte.
Plötzlich wurde ich durch eine Stimme aus meinen trüben Gedanken gerissen: „Geh nach links!“ hörte ich jemanden laut und vernehmlich sagen. Ich war erschrocken und drehte mich um. Woher kam die Stimme? Aber ich konnte niemanden sehen! Weit und breit kein Mensch! Was war das? Nach kurzem Zögern marschierte ich weiter Richtung Norden, aber dann hörte ich die Stimme zum zweiten Mal, diesmal mit fast flehentlicher Intensität: „Geh nach links!“
Ich war verwirrt. Es gab absolut keinen Grund, in diese Richtung zu gehen. Ich konnte nicht erkennen, wieso ich mich von dem Bachlauf neben mir wegbegeben sollte, der mich ja zu dem angestrebten Fluss bringen sollte. Und es gab noch mehr Gründe, die absolut dagegen sprachen, dass ich den Richtungswechsel, den die Stimme angewiesen hatte, vornahm. Der Weg nach links führte direkt in eine Hügelkette, wo ich hätte bergauf klettern müssen. Zweitens tobte genau aus dieser Himmelsrichtung der Schneesturm und ich hätte den beißenden Wind genau im Gesicht gehabt.
Nein, dachte ich und fuhr fort, mich weiter in Richtung Norden zu schleppen, immer dem Bachbett folgend. Aber ein seltsames Gefühl überkam mich. Ich fühlte mich, als würde ich von Gott weglaufen. Das Empfi nden war so stark, dass ich es nicht länger ertragen konnte, dagegen anzugehen. Ich holte meinen Kompass aus der Tasche, orientierte mich kurz und wandte mich in Richtung des Höhenzuges.
War das Gehen vorher schon schwer gewesen, so wurde es jetzt eine Qual. Kilometerweit musste ich bergauf klettern, trotz meiner Schwäche. Das Schneetreiben nahm mir fast völlig die Sicht. Es war furchtbar anstrengend voranzukommen, aber ich kämpfte mich vorwärts. Dann setzte die Polardämmerung ein, als ich gerade oben auf dem Höhenzug war und die Wasserscheide überquerte. Unten im Tal konnte ich ein anderes Bachbett erkennen und stieg den Hügel hinunter mit dem Gedanken, dass ich dann ja auch an diesem Flüsschen in Richtung des Liard River marschieren könnte. Gesagt, getan.