Jesus: Was wir wirklich über ihn wissen

Wie zuverlässig sind die historischen Quellen?

Jesus Christus ist zweifellos die umstrittenste Person der Geschichte. Von vielen gehasst, von Millionen geliebt: Die Diskussion um sein Leben und seine Lehren reicht bis in unsere Zeit. Selbst Hollywood hat sich mit dieser „luminösen Figur“, wie Albert Einstein ihn nannte, beschäftigt: Beispiele sind die Verfilmung des Bestsellers Der Da Vinci Code von Dan Brown im Jahr 2003 und der Film Die Passion Christi von Mel Gibson im Jahr 2004.

Jesus Christus erscheint immer wieder in den Schlagzeilen; jeder scheint seine eigene Meinung über ihn zu haben. Es gibt jede Menge Behauptungen, Interpretationen und Theorien. Der britische Philosoph Thomas Carlyle bezeichnete ihn als „den größten aller Helden“. Der sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow behauptet: „Jesus war der erste Sozialist, der erste, der danach strebte, das Los der Menschheit zu verbessern.“ George Bernard Shaw sagte: „Ich gebe zu: Er war ein erstklassiger politischer Wirtschaftsexperte.“ Theosophen sehen ihn als „einen der Meister der Weisheit des Altertums.“ Der jüdische Talmud schmäht ihn als Bastard und Betrüger. Einige Autoren der Gnostik bezeichnen ihn als Zauberer. Muslime sagen, er sei der Prophet Isa. Hindus betrachten ihn als einen von vielen Avataren.

Und dann gibt es natürlich die vielen Menschen, die behaupten, Jesus war ein guter Mensch, ein großer Lehrer der Moral oder ein Märtyrer, der fest an das, was er lehrte, glaubte. In einigen Büchern wird Jesus als marxistischer Revolutionär dargestellt oder als „Manager auf der Chefetage“ oder auch als „eine Art westlicher Konfuzius, der umherzog und den Menschen guten Rat gab“.

Dem könnte man noch neuere Vorstellungen hinzufügen: Dan Browns Da Vinci Code behauptet beispielsweise, Jesus sei der heimliche Liebhaber Maria Magdalenas gewesen. Und dann gibt es da noch Peter Josephs Dokumentarfilm Zeitgeist: Der Film. In ihm werden die Vorstellungen der New-Age-Autorin Acharya S. und ihres Buches Die Christus-Verschwörung verbreitet. Darin wird behauptet, Jesus habe historisch überhaupt nicht existiert. Er sei vielmehr eine mythologische Sonnengottheit gewesen – vergleichbar etwa mit Horus, Dionysus und Mithra –, und seine zwölf Jünger stünden für die zwölf Sternzeichen.

Eine weitere Vorstellung ist die von Pierre Teilhard de Chardin, einem Jesuitenpriester und Gründer der New-Age-Bewegung. Er entwickelte die Idee eines „kosmischen Christus“, eines panentheistischen Geistes, der angeblich das gesamte Universum umfasst und der die gesamte Schöpfung durchdringt.

Angesichts all dieser Behauptungen, Theorien und Interpretationen zur Person Jesus Christus stellt sich die Frage: Ist es in unserem postmodernen Zeitalter überhaupt möglich, die Wahrheit über Jesus herauszufinden, und zu wissen, wer der wirkliche Jesus der Geschichte war?

Die liberale Theologie und die Höhere Bibelkritik

Schon seit vielen Jahren stellen sich Theologen, Wissenschaftler und andere gebildete Personen die gleichen Fragen über den „historischen Jesus“. Wenn es um das Leben und die Lehren Jesu Christi geht, waren bisher immer die ersten vier Bücher des Neuen Testaments unsere Hauptinformationsquelle: die Evangelien nach Matthäus, Markus, Lukas und Johannes. In Bezug auf diese Bücher schrieb der schottische Theologe James S. Stewart (1896- 1990): „Jesus hat keine Autobiografie geschrieben. Er hat überhaupt nichts Schriftliches hinterlassen. Er hat sich und seine Lehren einfach nur den Herzen und der Erinnerung jener anvertraut, die ihn kannten und liebten. Und sie enttäuschten ihn nicht. Die vier kleinen Bücher, die wir Evangelien nennen, sind unsere Hauptinformationsquelle, ja, unsere einzige Informationsquelle, wenn es um das Leben und die Worte geht, die die Welt veränderten. Wir mögen uns wünschen, die Geschichte wäre in größerem Umfang und mit mehr Details erzählt worden. Doch wir wissen, dass sie – so kurz sie auch sein mag – ausreicht. Sie hat Christus allen Völkern zu allen Zeiten nahegebracht."...