Bionik: Von der Natur lernen

Bionik: Von der Natur lernen
Wissenschaftler und Ingenieure greifen immer öfter in den „Werkzeugkasten Gottes“

Hummeln könnten unmöglich fliegen – jedenfalls streng wissenschaftlich gesehen. Zu diesem Schluss kam im Jahr 1934 der französische Wissenschaftler Antoine Magan. Er hatte alles genau durchgerechnet: „Die Gesetze der Aerodynamik erlauben es nicht, bei einem Gewicht von 1,2 g und einer Flügelfläche von nur 0,7 Quadratzentimetern“ so langsam zu fliegen wie Hummeln. Der Flug dieser Insekten war lange Zeit ein Rätsel für Wissenschaftler. Die klassische Aerodynamik muss sich wohl geirrt haben. Ihre Prinzipien und Erkenntnisse können offenbar nicht 1:1 auf Insekten übertragen werden. Bei diesen kleinen Objekten verhält sich die Luft anders als bei großen: Es treten andere Strömungseffekte auf.

In den letzten Jahrzehnten haben sich Wissenschaftler intensiv mit dem Flug von Insekten auseinandergesetzt. Mit Hilfe von Hochgeschwindigkeits- Kameras und Lasern konnten sie herausfinden, dass die Insektenflügel nicht steif, sondern elastisch sind. Während des Fluges bilden sich zahlreiche Wirbel, die den Auftrieb an den Tragflächen steigern. Auf dieser Erkenntnis aufbauend haben Ingenieure für Miniaturfluggeräte die eine oder andere ihrer Konstruktionen neu durchdacht.

Doch es sind nicht nur Flugzeugingenieure, die von der Natur lernen. Auch Wissenschaftler anderer Disziplinen begreifen in zunehmendem Maße, dass die Natur eine breite Palette an erstaunlichen Lösungen für technische Probleme bereit hält. Aus dieser Einsicht heraus hat sich eine neue Disziplin entwickelt: die Bionik. Der Begriff ist ein Kunstwort, zusammengesetzt aus BIOlogie und TechNIK.

In der Bionik angesiedelt ist auch die Entwicklung des Klettverschlusses – meist unter dem Namen „Velcro“ bekannt. Der Schweizer Ingenieur George de Mestral hatte sich Gedanken gemacht, warum Kletten hartnäckig an der Kleidung oder im Fell eines Tieres hängen bleiben. Nach näherer Untersuchung ihrer Funktionsweise erkannte er den Grund für diese Fähigkeit: kleine elastische Häkchen. Daraufhin baute er eine Art „technische Klette”. Er tat dies, indem er das Funktionsprinzip – eine Vielzahl kleiner flexibler Haken und Ösen – zu einem Verschlusssystem weiterentwickelte. Der Klettverschluss, wie wir alle wissen, lässt sich schneller und leichter schließen und öffnen als ein herkömmlicher Reißverschluss. Das war die Geburtsstunde einer Idee, die sich inzwischen weltweit unter dem Namen Velcro durchgesetzt hat. Mittlerweile wurde an der Technischen Universität München ein stählerner Klettverschluss entwickelt, der bis zu 35 Tonnen pro Quadratmeter halten kann.

Die Bionik ist ein junges interdisziplinäres Wissenschaftsgebiet, in dem Forscher aus zahlreichen Fachgebieten ihre Erkenntnisse zusammentragen. Ziel ist, die Natur besser zu begreifen und von ihr zu lernen. Denn nur wer die Phänomene in der Natur verstanden hat, kann sie auch in die Technik übertragen.

Grundsätzlich kommen dabei zwei Vorgehensweisen in der Bionik zur Anwendung: 1. die Abstraktionsbionik, die auf der Erforschung des einzelnen Organismus beruht. 2. die Analogie- Bionik. Bei diesem Ansatz wird in der Natur gezielt nach Lösungen für bestehende Probleme gesucht...

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