Die Weiterführung der Reformation

Die Weiterführung der Reformation
Sabbat oder Sonntag?

Säkulare Einflüsse

Als Martin Luther mit seinem Thesenanschlag Ende Oktober 1517 die Reformation in Europa einleitete, war dies zugleich der Beginn einer neuen geschichtlichen Epoche – die sog. Neuzeit begann. Der Umbruch im kirchlichen Sektor wurde begleitet von tiefgreifenden Veränderungen im eher säkularen Gebiet, allen voran in Wissenschaft und Forschung. Die Kritik an der (katholischen) Kirche wurde nicht allein von Protestanten befeuert, sondern auch von aufgeklärt-kritischen Gebildeten, die sich in der Tradition von René Descartes (1596–1650) aufmachten, die Welt von Grund auf zu hinterfragen, zu erforschen und neu zu interpretieren. Es ist das Zeitalter der Weltbild-Revolutionen, des Rüttelns am Althergebrachten und des Auffindens oder Wiederentdeckens von wissenschaftlich geprüfter „Wahrheit“. Ein großer Optimismus begleitete dieses Streben und führte so manchen Aufklärer dazu, die Hoffnung zu hegen, dass der Mensch nicht allein von Natur aus „gut“, sondern auch die Lösung all seiner Probleme sei. Ein Erlöser, wie man ihn aus dem christlichen Glauben kannte, wurde immer unwichtiger. Die Wissenschaft wurde mehr und mehr zu einer Ersatzreligion.

Im Zuge der allgemeinen Kritik und Hinterfragung alles Gegebenen geriet auch die traditionelle Religion immer stärker ins Fadenkreuz. Während man etwa ein Jahrhundert nach der Reformation noch eine starke Verbundenheit zum Glaubensgut der beiden Großkirchen (römisch-katholische und evangelische Kirche) pflegte, war dies spätestens mit dem Verlauf des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) vorüber. Eine ganze Generation wuchs in diesen 30 Jahren heran, die unter den grausamen Ereignissen des Krieges litt und immer wieder religiöse Begründungen für diese Barbareien hörte. Der Religionsunterricht wurde aufgegeben, und die Sittlichkeit insgesamt lag sehr bald darnieder. Die Kirchen verloren im Volk viel Vertrauen und konnten dieses kaum noch zurückgewinnen.

Weiterführung der Reformation durch andere christliche Bewegungen

Besonders den sogenannten Pietisten ist es zu verdanken, dass der biblische Glaube nicht ganz verloren ging. Sie stellten die persönliche Bekehrung und Herzensfrömmigkeit in den Mittelpunkt, die sich durch intensives Bibelstudium und tätige Nächstenliebe beweisen sollte. Während in dem in über 1.000 kleine Territorialstaaten zersplitterten Deutschland die Regelung cuius regio, eius religio („wessen Gebiet, dessen Religion“) galt, wagte sich ein Philipp Jakob Spener (1635–1705) in seinem epochalen Werk Pia Desideria („Fromme Wünsche“), seine eigene (protestantische) Kirche zu kritisieren und einen durchdringenden Aufruf zur Vollendung der Reformation Luthers erschallen zu lassen. Wie Luther die Lehre reformierte, so sollte nun auch das Leben reformiert werden. Andere Pietisten wie August Hermann Francke (1663–1727), Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf (1700–1760) und Johann Albrecht Bengel (1687–1752) folgten diesem „Programm des Pietismus“ und wirkten nachhaltig auf die deutschsprachigen Länder.

In England war diese Geisteshaltung schon länger am Schwelen, hatte doch die englische Krone unter Heinrich VIII. (1491–1547) zwar eine von Rom unabhängige Kirche hervorgebracht, dieser aber jegliche ernsthaft biblische Reformation verwehrt. Dies führte zum Aufkommen der Puritaner, deren Name (von engl. „purify“ – „reinigen“) schon ihre Absicht deutlich aufzeigte: die anglikanische Kirche von allen katholischen Elementen zu reinigen. In der Strömung der Independents wurde gar eine weitgehende Unabhängigkeit der Ortsgemeinde von einer übergeordneten Hierarchie und insbesondere vom englischen König als Oberhaupt angestrebt. Während dies so manchen eher politisch aktiven Monarchie-Gegner anlockte, erwuchs daraus auch eine starke religiöse Bewegung, die in ihrer Bibeltreue weitergehen wollte, als dies bisher der Fall war: Die englischen Baptisten entstanden. Aus einem langen Gründungsprozess, der von 1609 bis 1641 andauerte, erwuchs eine starke Kirche, die das englische Volk und die amerikanischen Kolonisten prägte.

Auch die von den beiden Brüdern John (1703– 1791) und Charles Wesley (1707–1788) gegründete Methodistenkirche sorgte in England sowie den englischen Kolonien für eine Erweckung. Man orientierte sich am biblischen Maßstab der Lebensführung und schaffte es durch aufrüttelnde Predigten, einen großen Teil des Volkes vor dem Abgleiten in die religiöse Teilnahmslosigkeit zu bewahren.

Während die Niederlande als liberal-protestantischer Zufluchtsort verfolgter Christen galten, war Frankreich bis zur Revolution (1789–1799) eng an die katholische Kirche gebunden, die unter Führung der gegenreformatorisch gesinnten Jesuiten das absolutistische Königtum stark prägte. Die radikale Aufklärung der französischen Gebildeten jedoch führte zu einem deutlichen Bruch mit dieser Kirche, der es ermöglichte, dass der amtierende Papst (Pius VI.) im Februar 1798 in Rom von Napoleons Truppen gefangengenommen und nach Frankreich deportiert wurde, wo er schon 1799 starb. In diesem Jahr nahm man an, dass der Katholizismus (und womöglich das Christentum insgesamt) endgültig untergegangen sei.

Während sich aufgrund der starken Verwobenheit von Staat und Kirche in Europa die religiösen und politischen Interessen nicht immer klar voneinander trennen ließen, gab es doch gewisse theologische Fragen, an denen man die Aufrichtigkeit der Gläubigen messen konnte. Schon anhand der Frage nach der Glaubenstaufe anstelle der Neugeborenentaufe wurde dieser Gegensatz deutlich.

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