Warum wir Säuglinge taufen

Warum wir Säuglinge taufen
Geschichte, Bedeutung und Wandel einer christlichen Tradition

Es ist ein typischer Sonntagmorgen im Oktober. Ein Priester der örtlichen Diözese steht am Taufbecken der St. Maria Kirche in Stuttgart [das Bild zeigt eine evangelische Taufe, die sich allerdings kaum von der katholischen unterscheidet]. Neben ihm ein 28-jähriger Finanzmanager, seine Frau und ihr kleines Baby. Der Priester fragt die Eltern: „Ist es euer Wille, dass euer Kind in den Glauben der Kirche, den wir gemeinsam bekannt haben, getauft wird?”

Die Eltern erwidern: „Ja, das ist unser Wille.” Das Kind wird dann über das Taufbecken gehalten, während der Priester verkündet: „Ich taufe dich im Namen des Vaters…” Er macht eine kurze Pause und gießt etwas Wasser auf die Stirn des Kindes – „und des Sohnes…” – wieder gießt er etwas Wasser, „und des Heiligen Geistes”, wonach er zum dritten Mal Wasser über den Kopf des Säuglings gießt.

Daraufhin erklärt der Priester, dass das Kind jetzt frei sei von der Erbsünde, dass es die neue Geburt erhalten und Erlösung erlangt habe. Der Säugling ist jetzt offiziell ein Mitglied der römisch-katholischen Kirche.

Heute gibt es weltweit etwa 1,18 Milliarden getaufte Katholiken. Sie alle haben sich der gleichen Prozedur unterzogen – entweder als Säuglinge oder Erwachsene. In Deutschland werden – bei fallender Tendenz – jährlich etwa 170.000 Personen in der katholischen und 178.000 in der evangelischen Kirche getauft. Das Gros sind Säuglinge. Die Zahl der Taufen bei Erwachsenen liegt bei 3.000 (katholisch) bzw. 20.000 (evangelisch).

Außer der katholischen und der evangelischen Kirche gibt es zahlreiche andere Kirchen und christliche Gemeinschaften, die die Taufe praktizieren. Ihre Glaubenslehren mögen sich teilweise deutlich unterscheiden. Aber sie alle praktizieren die Taufe in der einen oder anderen Form. So werden bei den Anglikanern (in den USA nennen sie sich Episkopale), Methodisten, Kongregationalisten und Presbyterianern Säuglinge getauft, indem man ihnen Wasser auf den Kopf sprenkelt bzw. über den Kopf gießt. Die orthodoxen Kirchen mit ihren rund 260 Millionen Mitgliedern taufen Säuglinge durch Untertauchen. Und dann gibt es noch eine beträchtliche Zahl von Kirchen, die die sogenannte “Glaubenstaufe” praktiziert. Auch sie hat mit Wasser zu tun. Allerdings wird hier der erwachsene – oder zumindest religionsmündige – Gläubige in aller Regel ganz untergetaucht. Zu den (Frei-)Kirchen und Gemeinschaften, die diese Form der Taufe praktizieren, gehören die Baptisten, die Pfingstler, die Charismatiker und die Siebenten-Tags-Adventisten. Letztgenannte weisen dabei ausdrücklich darauf hin, dass ein bewusster Sinneswandel und Glaube an das Erlösungshandeln Jesu Christi notwendige Voraussetzung für die Taufe seien.

Es war Johannes der Täufer, der diese rituelle Handlung zum ersten Mal praktizierte. Vor etwa 2000 Jahren taufte er im Jordan (Palästina) zahlreiche Menschen. Einer von ihnen war Jesus von Nazareth, der Gründer des christlichen Glaubens. Jesus war es dann, der seine Jünger beauftragte, das Evangelium, also die gute Nachricht von der Erlösung, allen Menschen zu verkündigen und sie zu taufen. Die Jünger Jesu kamen diesem Auftrag nach, predigten, lehrten und tauften. Sie taten dies zunächst nur in Jerusalem. Dort ließen sich allein an einem Tag – und zwar am 50. nach Jesu Himmelfahrt – 3000 Menschen taufen. Dieser Tag, der als Pfingsten bekannt wurde, ist für praktisch alle christlichen Kirchen ein wichtiger Tag im jährlichen Festtagskalender.

In der Urgemeinde vor gut 2000 Jahren wurde der Gläubige symbolisch “mit Christus” im Taufwasser begraben. Dieser Akt war das äußere Symbol für einen inneren Vorgang, den sogenannten “Herzenswandel”. Indem der Taufkandidat von Kopf bis Fuß im “Wassergrab” “beerdigt” wurde, bekundete er sein Absterben gegenüber dem alten Leben in Sünde. Und indem er aus dem “Wassergrab” wieder “auferstand”, signalisierte er seinen Neubeginn in einem Leben in der Christusnachfolge, der Gott-Zugewandtheit.

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