Die Schriftrollen vom Toten Meer

Die Schriftrollen vom Toten Meer
Erstaunliche Entdeckungen

Die Geschichte über den Fund der Schriftrollen vom Toten Meer ist mittlerweile vielen Menschen bekannt. Wer hat nicht schon von dem Beduinen-Jungen gehört, der in Qumran am Toten Meer einen Stein in eine Höhle warf. Die Geschichte ereignete sich im Frühling des Jahres 1947. Wie erzählt wird, entdeckte der Hirte auf der Suche nach einer verirrten Ziege eine Höhle, von der er vermutete, dass sich das Tier darin versteckt haben könnte. Da die Höhle dunkel war, konnte er mit bloßen Augen nichts erkennen. Ob die Geschichte sich wirklich so zutrug, oder er nur auf der Suche nach einem Schatz war, wird wohl ein Geheimnis bleiben. Das Resultat ist jedoch klar. Der hinuntergeworfene Stein traf auf einen in der Höhle liegenden Tonkrug, der daraufhin zersprang. Überrascht von dem Geräusch der berstenden Scherben, wurde er neugierig. Er ließ sich mithilfe seiner Freunde in die Höhle hinuntergleiten, wo er etliche große Tonkrüge fand. Die meisten waren leer, aber bei einigen waren die Deckel noch unversehrt und er entdeckte in ihnen einige der mittlerweile weltberühmten Schriftrollen. Für ihn allerdings war der Fund nicht sonderlich beeindruckend, die Schriftrollen sahen alt und angeschwärzt aus und waren teilweise in Leinen eingewickelt. Er war sich in diesem Moment mit Sicherheit nicht bewusst, dass er den wohl größten archäologischen Fund des 20. Jahrhunderts vor sich hatte.

Um ein bisschen Kapital aus dem Fund zu schlagen, verkauften er und seine Freunde die Rollen an einen Antiquitätenhändler in Bethlehem. Dieser wiederum beauftragte sie, noch nach weiteren Rollen zu suchen, die sie dann auch fanden. Die Rollen gingen durch verschiedene Hände, bis Professor Eleasar L. Sukenik, ein israelischer Archäologe, Wind von der Sache bekam. Aufgrund lokaler Spannungen zwischen Arabern und Juden war es gar nicht so einfach, an ein Fragment zu kommen. In einem heimlichen Treffen an der Jerusalemgrenze wurde ihm durch einen Maschendraht ein kleines Lederfragment gezeigt. Der Professor erkannte die alte Handschrift und wollte unbedingt mehr sehen. Also reiste er zu dem Antiquitätenhändler, der drei der Rollen besaß. Als er eine Schriftrolle aufrollte, traute er seinen Augen nicht: Das waren hebräische Manuskripte, die eintausend Jahre älter waren als alle bisher vorhandenen vollständig erhaltenen Handschriften biblischer Bücher. In sein Tagebuch schrieb er: „Meine Hände zitterten, als ich begann, eine der Handschriften aufzurollen. Ich las einige Sätze. Sie waren in wunderschönem biblischen Hebräisch geschrieben. Die Sprache war wie die der Psalmen, aber der Text war mir nicht vertraut. Ich schaute und schaute, und plötzlich überkam mich dieses Gefühl. Mir wurde bewusst, dass mir hier vom Schicksal das Vorrecht geschenkt wurde, eine hebräische Schriftrolle zu betrachten, die das letzte Mal vor über 2.000 Jahren gelesen worden war.“

Über einige Umwege kamen diese Schriftrollen dann in die Hände von Professor Trevor, dem Direktor der amerikanischen Schule für Orientforschung in Jerusalem. Er sollte die Fragmente fotografieren. Als Experte ahnte er sofort, um was für einen Fund es sich handelte. Eine dieser Schriftrollen war eine vollständige Buchrolle des Propheten Jesaja. Sofort, als er sie als solche identifizierte, rollte er hastig die Handschrift bis zum Ende auf. Und da waren sie, die letzten Worte von Kapitel 66: genauso, wie er sie aus seiner Bibel kannte.

Als sich die Nachricht von diesen biblischen und anderen antiquarischen Schriftrollen verbreitete, suchte man gezielt nach weiteren Exemplaren der kostbaren Relikte. Bis 1956 sollten viele weitere antike Handschriften aus dieser Berggegend auftauchen. Insgesamt 11 Höhlen mit antiken Dokumenten wurden entdeckt, welche die Fachwelt in totale Begeisterung versetzten. Analysen zeigten, dass Fragmente von über 900 Schriftrollen vorhanden waren, die vom 3. Jh. v. Chr. bis zum 1. Jh. n. Chr. datierten. Bei etwa 230 von ihnen handelte es sich um biblische Handschriften. Mit Ausnahme des biblischen Buches Esther wurden Fragmente von jedem alttestamentlichen Buch gefunden. Es sollten etwa 50 Jahre intensiven Forschens folgen.

Qumran warf viele Fragen auf. Zum einen ist bis heute nicht geklärt, wer die antiken Dokumente in den Höhlen versteckte. Hierzu sind verschiedene Theorien im Umlauf. Die gängigste darunter ist diejenige, die besagt, dass es sich um strenggläubige Juden handelte, namentlich die Essener, welche von der Gesellschaft zurückgezogen lebten und dem Tempel in Jerusalem, deren Hohepriester sie als korrupt ansahen, den Rücken gekehrt hatten.

Andere Fragen hatten jedoch eine weitaus größere Tragweite. Konnte man anhand der Schriftrollen feststellen, inwiefern sich die biblischen Bücher im Lauf der Zeit verändert hatten? Mit anderen Worten: Ist das Alte Testament, wie wir es heute in Händen halten, ein zuverlässiges Dokument, oder haben sich Fehler eingeschlichen? Oder vielleicht sogar noch schlimmer: Wurden die Dokumente im Lauf der Zeit verfälscht, um eigene Weltanschauungen und Glaubensgebäude zu stützen? Darüber hinaus kam bald die Frage auf, ob man unter den Handschriften geheime Informationen irgendwelcher Art über Jesus und die frühen Christen finden konnte. Vielleicht würden diese neuen Erkenntnisse sogar den neutestamentlichen Bericht über den Haufen werfen?

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