Auf dem Weg zur Vollendung

Auf dem Weg zur Vollendung
Ein Blick in die Zukunft

„Der Protest ist zu Ende!“, so rief es Anthony Joseph („Tony“) Palmer im Februar 2014 der großen Versammlung der Charismatic Evangelical Leadership Conference in Texas zu, die von Kenneth Copeland, einem der bekanntesten Führungspersönlichkeiten der charismatischen Bewegung, ausgerichtet wurde. Tony Palmer, der nur wenige Monate später durch einen Motorradunfall starb, war ein enger Freund von Papst Franziskus und brachte der erstaunten Menge eine persönliche Videobotschaft des Papstes, in der zu brüderlicher, liebevoller Einheit aufgerufen wurde.

Dieser Aufruf von katholischer Seite in die protestantisch-evangelikale Richtung ist nicht grundlegend neu. Was bei diesem Ereignis aber als bahnbrechend gilt, ist die Tatsache, dass diese angestrebte Einheit nun ganz offensichtlich und eindringlich auch auf die bisher noch stärker ablehnenden Kreise des charismatisch- pfingstlerischen Protestantismus ausgeweitet wurde. „Wir verkündigen nun dasselbe Evangelium!“, sagte Palmer weiter. Die Reformation Martin Luthers habe ihr Ziel erreicht, und es gebe nun keinen Grund mehr, weiterhin in der Trennung zu beharren. Diese Botschaft wurde mit viel Applaus sowie einem Segensgebet in Richtung des Papstes angenommen – von den Führungspersonen der charismatisch-pfingstlerischen Kirchen, von denen einige nur fünf Monate später gemeinsam mit Kenneth Copeland zu einem persönlichen Besuch bei Papst Franziskus vorstellig wurden. Wie Copeland treffend formulierte, wäre so etwas noch wenige Jahre zuvor unvorstellbar gewesen.

Aber ist das wahr? Hat die Reformation erfolgreich ihr Ziel erreicht – oder ist sie schlicht „am Ende“, also doch die „Unvollendete“? Um das richtig bewerten zu können, müssen wir noch etwas tiefer in die Geschichte gehen und die Entwicklungen am biblisch- prophetischen Maßstab prüfen.

Die Reformation des 16. Jh.s hatte starke Umbrüche ausgelöst. Die katholische Kirche setzte sich damit intensiv auf dem Konzil von Trient (1545–1563) auseinander und beschloss kirchliche sowie politische Gegenmaßnahmen. Diese sog. „Gegenreformation“ war in einigen Ländern Europas sehr erfolgreich und machte die Gebietsverluste in weiten Teilen Mitteleuropas wieder wett. Die Kämpfe um die religiöse Vorherrschaft sowie die kircheninternen Streitigkeiten (vorrangig auf protestantischer Seite) schürten ein Klima religiöser Aggression, das schließlich im Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) kulminierte. Es folgte eine religiöse Desillusionierung und entsprechende Teilnahmslosigkeit in der Bevölkerung und zum Teil sogar in der Geistlichkeit, die sich immer mehr der wissenschaftlichen Aufklärung und der damit einhergehenden Verweltlichung öffnete.

Die Aufklärung, die die menschliche Vernunft gleichsam als Erlöser feierte, brach sich in Europa gegen Ende des 17. Jh.s immer stärker Bahn und beeinflusste zunehmend auch die protestantische Kirche. Schon in der zweiten Hälfte des 18. Jh.s kam der Protestantismus mehrheitlich dahin, die Bibel mehr als Menschen- denn als Gotteswort zu betrachten. Man begab sich immer freier auf die Suche nach dem „Wort [Gottes] im Wort [der Bibel]“ und stellte damit die eigene „Vernunft“ bzw. subjektive Meinung als obersten, kritischen Maßstab über die Heilige Schrift. Ganz im Geiste der sich immer stärker anti-religiös radikalisierenden Aufklärung lehnte man die Wunder der biblischen Erzählung sowie die göttliche Inspiration schließlich weitgehend ab. Dies war die Abkehr vom reformatorischen „sola-scriptura“-Prinzip und der Bibel als göttliche Autorität.

Die theologische Entwicklung der Kirchen gegen Ende des 18. Jh.s wird treffend in Offenbarung 12 beschrieben. Während die Kirchen sich immer mehr vermischen und die alleinige Grundlage der Bibel verlassen, wird dem bibeltreuen Volk Gottes (symbolisch als Frau dargestellt) göttlicher Schutz zugesichert (Offenbarung 12,6.14). In der Folge spricht Offenbarung 12,17 daher auch nur noch von (offenbar wenigen) „Übrigen ihrer Nachkommenschaft“, die nach wie vor treu zum biblischen Glauben stehen und inmitten aller Widrigkeiten die Gebote Gottes halten. Dies kann aber nur derjenige, der die Bibel als Wort Gottes annimmt.

Schon anhand dieses kurzen Blicks in die biblische Prophetie wird deutlich, dass die Heilige Schrift keinen ungebremsten Siegeszug der Reformation ankündigt – vielmehr deren Erlahmen bzw. einen weitgehenden Verlust der ursprünglichen Prinzipien. Doch das biblische Bild wird noch düsterer. Es beschreibt nicht nur die „Übrigen“, die Gottes finale Reformbotschaft in der Endzeit mit Deutlichkeit verkündigen (Offenbarung 14,6–12), sondern auch die weitere Entwicklung der protestantischen Kirchen, die sich durch ihre Verbindung mit Katholizismus und mystisch-spiritistischen Kräften gegen wichtige biblische Lehren stellen und schließlich gar jene verfolgen, die den wahren Glauben noch hochhalten (Offenbarung 13,11–18; 17).

An verschiedenen Stellen macht die Heilige Schrift deutlich, dass es in der heutigen Zeit zu einer umfassenden Vermischung von wahrem Glauben mit falschen Elementen kommen wird. Biblische Wahrheiten werden mit Aspekten heidnischer Religionen vermischt, um möglichst alle Menschen zu einer Einheitsreligion zu führen. Schon seit geraumer Zeit ist zu beobachten, wie eine gefühlszentrierte, mystisch-theologische Einheit nicht allein aller christlichen Bekenntnisse angestrebt wird, sondern auch tragende Elemente nicht-christlicher Religionen und Kulte ganz offen einen Platz in christlichen Kreisen finden.

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